Canticum Canticorum

Gedicht von Zuzanna Ginczanka

Lyrik | Prosa

Zuzanna Ginczanka

Canticum Canticorum

Übersetzungen und Fäden-Collagen von Iwona Mickiewicz
Fotos Eric Tschernow

Edition Abakus Berlin 2017
ISBN 978-3-9818099-9-2


Zuzanna Ginczanka

Canticum Canticorum (Auszug)


Rauschende Nacht im Blau des Granatapfels
   Samt taumelnder Triebe im Weinberg
      Samt Blättern des Feigenbaumes –
Kann keinen Schlaf finden.
    Schließe die hölzernen Tore auf –
       – Doch mein Liebster verschwunden.
Labsal von Kassia und Safran.
   Rinnsal von Ölen
      Auf die Klinke rinnt Myrrhe.
Sachte verwischt sich der Pfad
   Wie eine zerrissene Naht –
      Schwarzäugiges Dämmern hinter´m Haus.

Zuzanna Ginczanka

Canticum Canticorum (fragment)


Noc granatowa szumi
    I szczepki winnic rozchwiane
       I liście fig –
I wcale zasnąć nie umiem.
    Bramy rozwieram drewniane –
    – A miły znikł.
Szafranu i kasji wonność.
    Olejek ściekł
       I myrra ścieka na klamkę.
Ścieżka zaciera się wolno
    Jak spruty ścieg –
      Mrok czarnooki za gankiem.




Zuzanna Ginczanka (Zuzanna Polina Gincburg), geboren 1917 in Kiew, gilt als herausragende Dichterin und Satirikerin des 20. Jahrhunderts. Für ihr Schaffen hat sie die polnische Sprache gewählt und begann sehr früh Gedichte zu schreiben. Sie gehörte den literarischen Gruppen Wołyń und Skamander an. Sie arbeitete für führende Zeitschriften, wie Wiadomości Literackie und die satirische Zeitschrift Szpilki, wo sie als einzige Frau Mitglied der Redaktion war. Ihr erster und letzter Lyrik-Band Von Zentauren erschien 1936.

Während des Zweiten Weltkriegs musste sie sich als Jüdin verstecken und ihre Verstecke mehrmals wechseln. Nach einer Denunziation wurde sie inhaftiert und gefoltert. 1944 wurde sie von der Gestapo erschossen. Die letzte Nachricht von Zuzanna Ginczanka aus dem Gefängnis, am 18. April 1944, ist die Bitte um: „Nahrung, Sabadill-Essig, Äpfel, Schuhe auf Jutesohle Gr. 38”.